Sebastian:
Wo kommst du gerade her?
Enis:
Vom Bioladen um die Ecke.
Sebastian:
Was sind deine drei Karaoke-Top-Songs?
Enis:
The Next Right Thing von Frozen 2, I Want to Break Free von Queen, und Crazy Little Thing Called Love, auch von Queen.
Sebastian:
Deine fünf zuletzt genutzten Emojis?
Enis:
😘 🥰 🥵 🤤 🤔
Sebastian:
Was wolltest du als Kind beruflich werden?
Enis:
Also mein allererster Berufswunsch, an den ich mich selbst zwar nicht aktiv erinnere, aber von dem mir meine Eltern oft erzählt haben, ist, dass ich LKW-Fahrer oder Baggerfahrer sein wollte. Das habe ich scheinbar sehr oft und klar ausgedrückt, bis ich dann auch tatsächlich einen Bagger als Spielzeug bekam und sehr happy damit war.
Sebastian:
Beim Baggerfahrer-Wunsch ist es ja schlussendlich nicht geblieben…
Enis:
Nein, dabei ist es nicht geblieben. Vom Baggerfahrer hat sich mein Berufswunsch irgendwann dann in der Jugend dahingehend geändert, dass ich Pilot sein wollte. Also immer noch im Verkehr. Heute arbeite ich als selbständiger Tänzer und Choreograf.
Sebastian:
Du hast zuvor Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Was hat dich dazu bewegt, dann noch mal diesen eher ungewöhnlichen Schritt in Richtung Tanz zu gehen?
Enis:
Zum einen spielte meine Unzufriedenheit mit dem Studium an der TU Berlin eine Rolle. Dass ich nicht ganz glücklich war mit dem Studium an sich. Ich hatte keine Schwierigkeiten mit den Studieninhalten, aber es hat mich auch nicht so angeregt, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich habe das Studium dann erstmal auf Eis gelegt. In dieser Zeit habe ich dann viele Sachen ausprobiert, ich war auf der Suche.
Ich hatte Tanzen, Tanzkunst und zeitgenössischen Tanz überhaupt nicht auf dem Schirm und habe auch nie eine Vorstellung besucht. Ich habe auch früher nicht getanzt. In dieser Zeit war ich dann Teil eines Master-Abschlussprojektes meiner damaligen Mitbewohnerin. Sie hat Theaterpädagogik an der UdK studiert und hat ihr Abschlussprojekt mit Laien gemacht, da habe ich dann mitgemacht. Sie sagte mir, dass ich eine gute Bühnenpräsenz hätte und dass ich doch tanzen solle… und das war dann tatsächlich der Samen, der in mir gelegt wurde.
Das Erste, was ich zu ihr sagte, war: „Ich bin zu alt, keine Schule wird mich nehmen.“ Zu dem Zeitpunkt war ich 21 Jahre. Weil ich aber einfach Freunde am Tanzen hatte, zum Beispiel in Clubs, habe ich dann mit dem Tanztraining begonnen, um zu gucken, ob mir das Spaß macht. Und auch um zu schauen, wie viel Potential in mir steckt. Und dann, dann war das alles relativ schnell klar für mich.
Sebastian:
Auf deinem Instagram-Profil steht unter anderem Choreograf und Performer. Würdest du das selbst als Berufung oder Beruf beschreiben?
Enis:
Also es ist auf jeden Fall ein Beruf (lacht). Ich habe auf jeden Fall eine Leidenschaft und auch eine Überzeugung; und eine Motivation. Aber darüber hinaus hat es für mich jetzt keinen übergeordneten Sinn.
Sebastian:
Wie sieht denn so ein typischer Tagesablauf bei dir aus, wenn es denn einen solchen gibt?
Enis:
Also einen typischen Tagesablauf gibt es tatsächlich nicht. Die einzige Konstante, die ich habe, ist, dass ich irgendwann aufwache, was zu unregelmäßigen Zeiten passiert. Während des Tages esse ich irgendwann etwas, was auch zu sehr unregelmäßigen Zeiten passiert. Darüber hinaus verbringe ich sehr viel Zeit in Zügen. Ich bin also viel unterwegs auf Dienstreisen, in Theaterräumen und Studios. Meine Arbeitsräume sind häufig leere Studios ohne Fenster. Ich bekomme von Tageslicht und Wetter während meiner Arbeitszeit so gut wie gar nichts mit.
Meine Arbeitszeiten sind sehr unregelmäßig. Manchmal Nine to Five. Manchmal aber auch von 12 Uhr bis 20 Uhr oder 17 bis 22 Uhr. Ich arbeite mit unterschiedlichen Teams zusammen. Da habe ich auch keine Konstante.
Sebastian:
Deine Tagesabläufe sind also immer pro Projekt unterschiedlich?
Enis:
Pro Projekt treffe ich auf unterschiedliche Teams und Orte. Und abhängig davon, in welcher Produktionsphase wir sind, passen sich die Arbeitszeiten dann auch an.
Sebastian:
Hast du Rituale vor, während oder nach der Arbeit?
Enis:
Ich hatte bisher keine Rituale… bis jetzt! Dieses Jahr habe ich tatsächlich damit begonnen: Beim Probenbeginn meditiere ich beispielsweise immer 15 Minuten. Und nach jeder abgeschlossenen Produktionspremiere mache ich einen Tag Wellness in einer Therme, einen ganzen Tag Wellness!
Sebastian:
Ganztägig! Wow!
Enis:
Nicht 4 Stunden, 2 Stunden. Ganztägig, ja!
Sebastian:
Was sind Hauptthemen, mit denen du dich in deiner künstlerischen und choreografischen Arbeit auseinandersetzt?
Enis:
In meiner Arbeit als Performer versuche ich mit meinem Körper und mit meinem Geist den Diskurs bzw. die Vision, die die künstlerische Leitung und Choreograf*in antreibt, weiterzubringen.
In der Zusammenarbeit ist mir dabei wichtig, dass die Perspektive im Zeitraum der Produktion nicht aus den Augen verloren wird… Wie das Publikum die Arbeit dann am Ende erleben wird.
Mir ist außerdem Inklusivität bzw. die Awareness dafür sehr wichtig. In meiner letzten Produktion, in denen ich engagiert war, gab es zum Beispiel eine Szene, in der wir durch KI generierte Körperbilder projiziert haben. Für mich waren die Körperbilder sehr normativ, “able-bodied”, sozusagen. Genauso wie das Setting insgesamt einer elitären Klasse entsprach; so „Rich-Kids-mäßig”. Mir war wichtig, sich während der Produktion Fragen zu stellen: Sind wir uns über alles hier bewusst? Ist das eine bewusste Entscheidung, dass wir diese Körper darstellen?
Und in meiner eigenen Arbeit, da arbeite ich sehr stark mit popkulturellen Referenzen; mit Übertreibungen, mit Kitsch. Und habe besonderes Interesse daran, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen, oder sie umzudeuten, Normen aller Art.
Sebastian:
An popkulturelle Referenzen und Übertreibungen anknüpfend: Gib mir einen Satz zu Lady Gaga.
Enis:
Sehr schlaue Inszenierungen, würde ich sagen.